Nach den grünen Siegen wollen die Öko-Parteien näher zusammenarbeiten. Erste Gespräche laufen. Doch bei anderen Themen ist man weit voneinander entfernt.
Treffender lässt sich die bürgerliche Hilflosigkeit angesichts des grünen Durchmarsches von Zürich nicht in Worte fassen: «Wir wurden von einer grünen Welle weggeschwappt», sagte der unterlegene FDP-Regierungsratskandidat Thomas Vogel (47) am vergangenen Sonntag. Der Klimaprotest ist von der Strasse in den Wahlurnen angelangt.
Während Grüne und GLP ihre Siege an der Urne feiern, arbeiten die Strategen der beiden Öko-Parteien daran, diesen Rückenwind auch im Herbst bei den nationalen Wahlen nutzen zu können.
Gemeinsame Projekte nach den Wahlen
Im Hintergrund brüten sie darüber, wie Konkretes umzusetzen wäre, nach aussen hält man sich noch bedeckt. Grünen-Präsidentin Regula Rytz (57) sagt immerhin: «Ein Projekt, das die ökologischen Kräfte in der kommenden Legislatur gemeinsam angehen sollten, ist die Neuauflage der Grünen Wirtschaft.» Der Bund soll tatkräftig dazu beitragen, dass sich die Wegwerfwirtschaft zu einer Kreislaufwirtschaft wandelt. Das Begehren kam ein erstes Mal im September 2016 zur Abstimmung. Grüne, SP, GLP und EVP kämpften dafür – an der Urne wurde es mit wuchtigen 63,6 Prozent verworfen.
Tiana Angelina Moser (39), Fraktionschefin der Grünliberalen, nennt die Einführung eines Klima- und Energielenkungssystems sowie ein strengeres Raumplanungsgesetz als Beispiele für gemeinsame Projekte nach den Wahlen.
Magere Bilanz in Bundesbern
Grüne und Grünliberale haben gute Gründe, diese Vorhaben im Wahlkampf nicht offensiv zu vertreten. Die Parteioberen wissen: Sobald es konkret wird, haben es grüne Anliegen bei aller Euphorie schwer. Die grüne Bilanz in Bundesbern fällt mager aus. Im Dezember erlitt das CO2-Gesetz im Nationalrat Schiffbruch – dieselbe Kammer sprach gerade sechs Milliarden Franken für Nationalstrassen. Und bei der Bevölkerung kamen Verbote und Lenkunsabgaben bislang schlecht an: Die GLP-Initiative «Energie- statt Mehrwertsteuer» wurde 2015 mit 92 Prozent Neinstimmen zum grössten Flop der Geschichte.
Das bisher nachhaltigste Vermächtnis der Grünen ist das Nein zum EWR an Blochers Seite, 1992. Den historischen Entscheid zum Atomausstieg hingegen beschloss mit Bundesrätin Doris Leuthard (55) eine CVP-Frau, mit Simonetta Sommaruga (58) wird eine Sozialdemokratin das erste Schweizer AKW abstellen. «Rot ist noch immer das schönste Grün», höhnte SP-Urgestein Helmut Hubacher am Samstag in der «Basler Zeitung».
Die Grünen lassen sich nicht beirren. Vom Ergebnis in Zürich beschwingt, holen sie alte Pläne aus der Schublade. «Unter den aktuellen Bedingungen sollten wir über die Klimabewegung hinaus die zentralen Umweltprobleme anpacken und mit der Wirtschaft einen ‹Green New Deal› abschliessen», sagt Regula Rytz. Man werde im Herbst nicht «im Schlafwagen» gewinnen, «die Wahlen in Baselland und Luzern heute Sonntag sind der nächste Test».
Fundamentale Differenzen
Wie die Zusammenarbeit der ökologischen Kräfte genau aussehen wird, müsse im Sommer geklärt werden, so Rytz weiter. Keine einfache Sache, denn Grüne und Grünliberale sehen sich in erster Linie als Konkurrenten. Tiana Angelina Moser weist auf fundamentale Differenzen hin, etwa im Hinblick auf die Rolle des Staats.
Es waren genau solche Fragen, die vor 15 Jahren zur Spaltung der Grünen führten – ebenfalls ein Prozess, der in Zürich begann. Die ehemalige Zürcher Ständerätin und GLP-Mitgründerin Verena Diener (70) betrachtet diese Spaltung heute aber eher als Segen denn als Fluch: «Ich bezweifle, dass wir geeint so viele Sitze gewonnen hätten.»
Von Einigkeit abseits ökologischer Themen ist wenig zu erkennen. Die GLP unterstützt den Entwurf zum EU-Rahmenabkommen vorbehaltlos und wettert gegen «gewerkschaftlichen Dogmatismus». Mit Rytz wiederum steht an der Spitze der Grünen eine ehemalige Spitzenfunktionärin des Gewerkschaftsbundes.
Wie lange hält der grüne Trend an?
Derweil beschert die Klimadebatte den Grünen viele Neumitglieder. Seit 2014 stieg die Mitgliederzahl von 7400 auf 8800. Die Sektionen in Bern, Zürich und im Waadtland legten überdurchschnittlich zu. In Zürich etwa wuchs die Partei seit Anfang 2018 um 25 Prozent.
Ein ähnliches Bild zeigen die Jungen Grünen. Während sich in der Vergangenheit monatlich etwa 40 Personen der Jungpartei anschlossen, waren es allein im Januar schon 130.
Seit den 1980er-Jahren profitierte die Partei immer wieder von politischen Trends – um kurze Zeit später wieder zurechtgestutzt zu werden. Das werde diesmal nicht geschehen, glaubt der alt Grünen-Nationalrat und Historiker Josef Lang (64, ZG). «Die Klimabewegung wird länger nachhallen als die Bewegungen der Vergangenheit», sagt er. «Zudem ergibt sich die Chance, dass der rot-grüne Block als Ganzes wächst.» In Zürich ist dies gelungen. Vorerst.
https://www.blick.ch/news/politik/wahlsieger-im-kampfmodus-neue-gruene-welle-ueberrollt-die-schweiz-id15246324.html
2019-03-30 23:40:00Z
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